»Ich war nie so ein Brecher«
Frankfurter Rundschau MAGAZIN 28.05.05
Der Musiker Funny van Dannen über seine verpasste Fußballkarriere und die Macht von Liedertexten.

Funny van Dannen, in einigen Ihrer Lieder outen Sie sich als Fußball-Fan. Träumten Sie selbst einmal von einer Fußball-Karriere?

Würde ich immer noch jeder Karriere vorziehen, sofort.

Sie sind 48.

Ja, jetzt ist es vielleicht doch zu spät. Aber das muss doch das Tollste überhaupt sein, wenn du vor 80 000 Zuschauern ein Tor schießt und alle jubeln.

Sie sollen einmal ein guter Fußballspieler gewesen sein.

Ich war relativ gut, aber nicht überragend. Mit 17 hatte ich richtig Kraft, war antrittsschnell.

Was waren Sie für ein Spielertyp?

Technisch war ich ganz gut und ich hatte auch eine gute Spielübersicht. Einen strammen Schuss habe ich nie gehabt, ich konnte eher so gezirkelte Dinger. Ich war nie so ein Brecher.

Woran scheiterte Ihre Karriere?

Ich bin in Tüddern, einem 1500-Seelen-Ort an der holländischen Grenze, aufgewachsen und dort habe ich Fußball gespielt, bis ich 17 war. Mein Onkel hatte Kontakte zu dem holländischen Club auf der anderen Seite der Grenze, Fortuna Sittard, die spielten damals zweite Liga, waren so ein Fahrstuhl-Club wie Bochum. Die stiegen in einem Jahr auf und im nächsten wieder ab. Dann meinte er: „Geh' da mal hin, mach ein Probetraining, vielleicht können sie dich ja gebrauchen.“ Und die wollten mich dann auch haben. Der Club bot damals ungefähr 3000 Mark für einen Amateurspieler. Nur wollte mein Heimatverein 11 000 Mark haben.

11 000 Mark war viel Geld in den 70er Jahren. Sie müssen ja wirklich ein Talent gewesen sein.

Ich fand das übertrieben, die dachten wohl: Jetzt machen wir Reibach. Die Vereine konnten sich jedenfalls nicht einigen. Und weil das über die Grenze ging, konnte ich nichts machen. Da gab es eine Uefa-Richtlinie und dann lag ich eben auf Eis. Das ging einige Monate hin und her, in denen ich nur Trainingsspiele machen konnte - und dann habe ich es gesteckt. Meine Karriere war beendet.

Das klingt bitter.

Ich habe immer bedauert, dass ich das mit dem Fußball nicht wenigstens mal probieren konnte. Ich glaube schon, dass ich ein guter Spieler geworden wäre. Der Trainer von Sittard ist später zu Ajax Amsterdam gegangen, also wenn ich in Sittard aufgefallen wäre, dann hätte ich schon einen guten Weg machen können. Aber, na ja, ein Trainingsunfall und dann wäre es auch schon vorbei gewesen. Ich erinnere mich an einen Verteidiger, Arno Ernst, der spielte in den 60ern noch bei Borussia Mönchengladbach. Der hatte Oberschenkel wie Baumstämme. Und der trat mir im Training einmal fast den Kopf ab. Also da ging es richtig zur Sache. Auf Dauer hätte ich wahrscheinlich gar nicht mithalten können mit meinen schwächlichen Muskeln.

Und als das mit der Fußballkarriere nicht geklappt hat, sind Sie Künstler geworden?

Ich habe mit 17 auch schon gesungen und gemalt. Ich war damals eh unschlüssig, weil Fußball und Kunst zwei Welten waren, die nicht unbedingt zusammen passten. War ja auch schon recht aufwändig, dreimal die Woche Training, samstags das Spiel. Und ich hatte dann doch die Tendenz zur Kunst hin, wollte damals auch weg von zu Hause, diese Welt war mir ein bisschen eng geworden. Aber trotzdem: Wenn ich einen Fußballplatz im Flutlicht sehe, kriege ich immer noch das Kribbeln.

Sie haben vor ein paar Jahren die Anti-Bayern-Hymne „Niemals zu den Bayern gehen“ geschrieben, die dann durch die Toten Hosen bekannt wurde. Das Lied werden heute zum Pokalendspiel Schalke 04 gegen Bayern München wohl wieder einige Schalke-Fans anstimmen.

Das Lied war gar nicht so böse gemeint.

Es heißt darin „Was für Eltern muss man haben, um so verdorben zu sein, einen Vertrag zu unterschreiben, bei diesem Scheiß-Verein“. Bayern-Manager Uli Hoeneß war damals sehr erbost.

Bei den Hosen klang es natürlich etwas aggressiver, als es bei mir geklungen hätte. Meine Sachen kommen sanfter daher. Eigentlich war der Song weniger an die Bayern als an die jungen Spieler gerichtet, die meinen, sie könnten nur dort ihre Karriere krönen. Ich hätte es schöner gefunden, wenn Leute wie Olaf Thon damals bei Schalke oder Mehmet Scholl in Karlsruhe geblieben wären. Ich bin nun wirklich kein Freund der Bayern, aber nach Hass sollte das Lied nicht klingen. Ist doch nur Sport.

In manchen Stadien wird das Bayern-Lied immer noch gespielt.

Ach wirklich? Wusste ich gar nicht. Aber es ist kein Lied, das in der Kurve angestimmt wird, dafür taugt es, glaube ich, nicht.

Was muss ein Lied haben, damit es im Stadion gesungen wird?


Es muss einfach und eingängig sein. Das erste Lied, das im Stadion gesungen wurde, an das ich mich erinnere, war: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Das war 1966, als Borussia Dortmund den Europapokal gewann, durch das Tor von Stan Libuda. Das war toll. Ich dachte tatsächlich: Dieses Lied ist für den Fußball geschrieben worden, das wird nur gesungen, wenn Dortmund den Europapokal gewinnt. Heute ist es doch meistens so, dass bekannte Lieder umgedichtet werden. „Go West“ von den Pet Shop Boys, das ist ja die Melodie von „Steht auf, wenn ihr Schalker seid“. Als Alemannia Aachen abstieg, sangen die anderen Teams, „Ale-mannia, Ale-mannia he-he-ho Goodbye“ zur Melodie von Steam. Lieder, die eigens fürs Stadion komponiert wurden, gibt es, glaube ich, gar nicht.

Wenn das gesamte Stadion singt: „Steht auf, wenn ihr Schalker seid“ - stimmen Sie ein?


Noch nicht einmal, wenn ich volltrunken bin.

Bei „Wir sind schlau, wir sind Fans vom HSV“?

Toller Reim. (lacht) Nein, bei dem auch nicht.

Für welchen Verein würden Sie denn singen?

Ich habe noch nie im Stadion gesungen, ich habe zu keinem Club eine so starke Bindung, dass ich für ihn brüllen würde. Ich bin als Fußballzuschauer nicht fanatisch. Ich freue mich über ein gutes Spiel, aber die identitätsstiftende Seite von Fußball hat mich nie interessiert. Diese ganzen Projektionen stehen der Fairness im Wege. Wenn ich früher mit meinem Sohn im Stadion war, haben die Hertha-Fans nach jedem Gästespieler-Namen „Arschloch“ geschrieen, das ist doch idiotisch und hat nichts mit Fußball zu tun.

Welches ist denn jetzt Ihr Lieblingsklub?


Köln, aus alter Verbundenheit. Oder überhaupt die Vereine meiner Kindheit: Dortmund, München 1860, die Frankfurter Eintracht mag ich auch immer noch. Die alten Heroen eben. Ich werde mich nie an Clubs wie Wolfsburg gewöhnen, so Zeug muss raus (lacht). Auch Leverkusen. Für mich sind die Regionalliga West, und das bleiben sie immer für mich. Da bin ich sehr konservativ.

Werden Sie sich das Pokal-Endspiel heute anschauen?

Bestimmt, aber nicht im Stadion. Letztes Jahr war ich beim Finale, Aachen gegen Bremen. Natürlich war ich für Aachen als alter Rheinländer, hat aber nichts genutzt. Es war aber ein gutes Spiel.

Hängen Sie noch am Rheinland? Immerhin leben Sie seit 27 Jahren in Berlin.

Von der Mentalität her wirst du als Rheinländer ja nicht wirklich warm mit Berlin. Ich wollte immer zurück ins Rheinland, aber das scheiterte an den Kindern. Entweder sind sie gerade in einem guten Kindergarten oder an einer schönen Schule. Die Großen sind jetzt auch schon älter: 17, 19 und 22. Die würden nicht mehr mitkommen und zurücklassen würden meine Frau und ich sie ungern. Also bleiben wir wahrscheinlich hier. Aber vom Herzen her würde ich sehr gerne zurück ins Rheinland.

Was stört Sie an der Hauptstadt?

Diese Kommunikationsbehinderung. Für die Leute hier ist ja schon das Grüßen Luxus. Neulich bei Karstadt wollten ich für den Kleinen Schuhe kaufen. Da hat sich die Verkäuferin hinter dem Pfeiler versteckt, um nicht bedienen zu müssen. Oder in der Bäckerei. Du bestellst zehn normale Brötchen und kriegst zur Antwort: „Bei uns sind alle Brötchen normal.“ Aber die Stadt ist besser als der Berliner. Alleine wegen ihrer Größe zieht die immer genügend Bekloppte an, die dann hier was am Laufen halten.

Nächstes Jahr zur Fußball-WM werden sich viele Menschen aus aller Welt an den freundlichen Berlinern erfreuen können.


Aber das Olympiastadion ist schön geworden, die Nazi-Architektur haben sie ein bisschen entschärft, es ist richtig gemütlich jetzt.

Werden Sie ein WM-Spiel besuchen?

Meine Kinder haben Karten bestellt, vielleicht nehmen sie mich ja mit. Aber ich muss da auch nicht ins Stadion, es reicht mir, wenn ich die Spiele im Fernsehen sehe. Ich hatte mein WM-Spiel ja schon, 1974, Holland gegen Bulgarien im Dortmunder Westfalenstadion. 4:1, das war Klasse. Mit Cruyff und Neeskens - Neeskens vor allem. Der musste einen Elfmeter schießen, den aber zweimal wiederholen. Und der haut alle drei Dinger volle Kanne unter die Latte, total unhaltbar, bamm, bamm, bamm! Die Nerven zu haben. Die Holländer waren super.

Sie haben Sympathien für den holländischen Fußball? Meist ist doch die Rivalität in der Grenzregion am größten - gerade zwischen Deutschland und den Niederlanden.


Bei uns in der Familie ging das gar nicht. Meine Mutter ist Holländerin - so krass konnte man deshalb sowieso nicht gegen Holland sein.

Sie sind für Deutschland?

Ja klar, so viel Nationalgefühl muss schon sein. Aber ich bin nicht für die Deutschen, wenn sie sich irgendwie durchgurken wie in den 80ern, das war ja furchtbar. Wo sie sich dank ihrer Betonabwehr bis ins Finale gemogelt haben. Das hatte mit schönem Fußball ja nichts zu tun. Aber ich muss sagen, im Moment kann ich mich wieder mit der deutschen Mannschaft anfreunden, zur Zeit dieser Nowotnys war das wirklich schwierig. Jetzt sind wieder viele sympathische Spieler dabei, außer Ballack sind mir die Nationalspieler durchweg sympathisch. Den hätte ich auch noch gerne weg, aber den können wir wohl nicht ersetzen.

Was finden Sie an ihm so unsympathisch?

Ich habe ihn schon öfter unfair erlebt. Und ich mag seine Art Fußball zu spielen nicht, er spielt so eckig, das hat nichts Charmantes. Ich kann auch Spieler nicht leiden, die sich nach dem Kopfball erst mal die Frisur ordnen. Furchtbar.

Eine letzte Frage an Sie als Musiker. Haben Sie eine Idee für einen guten Song zur WM? „Sieg, Sieg!“ und „Steht auf, wenn Ihr Deutsche seid“ klingen nicht so gut.

Für mich braucht keiner zu singen, die sollen anständig Fußball spielen und fertig.