»,Stille Nacht‘ muss es schon sein«
Frankfurter Rundschau MAGAZIN 24.12.04
Udo Jürgens über selbst komponierte Weihnachtslieder, frohe Festtage in der Kindheit und die Sehnsucht nach ruhigen Stunden.

Teil1 Teil2

Udo Jürgens ist mürrisch. Gestern Nacht ist es spät geworden. "Ich habe mich mit meiner Tochter Jenny getroffen und war erst um fünf Uhr im Bett - wir haben uns immer so viel zu erzählen." Morgen will er seinen Sohn treffen.
Udo Jürgens (70) lässt keine Gelegenheit aus, das gute Verhältnis zwischen ihm und seinen Kindern Jenny (37), Sonja (38) und Johnny (40) zu betonen. Überhaupt hat der Schlagersänger, einst legendär für seine Affären und seinen ausschweifenden Lebensstil, im Alter anscheinend die Werte der Familie entdeckt. In seiner dritten Autobiografie, "Der Mann mit dem Fagott" (Limes Verlag), blickt er zurück auf das Leben der Bockelmanns (Jürgens´ Geburtsname) im 20. Jahrhundert. Natürlich erzählt er vor allem die Geschichte von Udo Jürgens, der 100 Millionen Tonträger verkauft hat und seit fast 40 Jahren die Boulevard-Presse mit Geschichten aus einem Privatleben füttert. Im Interview will er aber vor allem über die Bockelmann-Saga reden, wird ungehalten, als sich die Fragen nicht vorrangig darum drehen, sondern um Weihnachten. Dabei beginnt sein Buch just an jenem Tag im Jahr 1891. Damals verließ Jürgens‘ Großvater Heinrich seine Heimatstadt Bremen, um in Russland sein Glück zu suchen. Eine Parallele zu Udo Jürgens, der mit 17 das Elternhaus verließ, um Musiker zu werden. Heute sagt er: "Auch wenn es mir nicht immer gelungen ist: Mein ganzes Leben habe ich alles
versucht, um Weihnachten mit meiner Familie verbringen zu können."

Herr Jürgens, Sie sind jetzt 70 Jahre alt und mit 100 Millionen verkauften Platten einer der erfolgreichsten deutschen Musiker. Wird es langsam Zeit für den Ruhestand?

Ganz und gar nicht. An der Familien-Biografie zu arbeiten war sehr spannend, aber jetzt wird wieder komponiert. Ich möchte im Laufe des Winters Lieder für ein schönes Album schreiben. Mein Traum wäre, im kommenden Jahr eine Jazz-Platte einzuspielen, die alten Standards noch mal auszupacken, mit einem Trio, so wie ich es in meiner Anfangszeit als Musiker in den Clubs getan habe. Und mein sinfonisches Werk „Die Krone der Schöpfung“ möchte ich irgendwann einmal im großen Rahmen aufführen. Das ist ein wirklich bemerkenswertes Stück, das Rockmusik mit klassischen Elementen verbindet und von einem großen Orchester gespielt wird.

Der autobiografische Roman und klassische Musik: Ist das die späte Suche nach Anerkennung in Ihrer Familie? Die blieb Ihnen am Anfang Ihrer Karriere als Schlagersänger verwehrt.

Es stimmt, am Anfang fehlte die Anerkennung in der Familie, nicht bei meinen Eltern, aber bei den Verwandten. Ein Onkel sagte: Dem würde ich mal ein paar hinter die Löffel geben, damit er was Anständiges macht. Als ich dann später erfolgreich war, haben es natürlich alle gewusst. Heute bin ich so was wie der Patron der ganzen Familie, weil ich der Bekannteste bin. Zu den Lesungen aus meinem Buch kam die ganze Verwandtschaft. Und dass ich einen gewissen Stolz habe, mit den Philharmonikern gespielt zu haben, dass ich es damit meiner Familie auch ein bisschen zeigen wollte, das leugne ich überhaupt nicht.

Könnten Sie sich vorstellen, noch mal mit der deutschen Nationalmannschaft zu singen? 2006 steht die Weltmeisterschaft an. Als Sie das letzte Mal mit den Spielern ein Lied aufgenommen haben, wurde Deutschland Weltmeister.


Ja, ja, das könnte durchaus sein. Mich würde das interessieren, ich bin großer Fußballfan. Als Franz Beckenbauer noch spielte, kannte ich bei den Bayern alle Spieler. Also, wenn ich gefragt würde, würde ich gerne ein Lied mit der Nationalmannschaft aufnehmen.

Was könnte der Titel sein?

Das weiß ich noch nicht, aber es müsste ein doppelsinniges Lied sein, das sind die besten.

Über Fußball?


Also zum Beispiel der erste Song zur WM 1978 „Buenos Dias, Argentina“. Der war so klischeehaft geschrieben, dass jeder, der ein bisschen intelligent war, gewusst hat, dass ich damit ganz bewusst die Militär-diktatur auf die Schippe nehme. Weil man zu jener Zeit über das Land keine ehrlichen Lieder machen konnte, habe ich einen extra platten Text gemacht. Ich habe die Sonne über dem La Plata aufgehen lassen, ich habe einen Menschen mit Sombrero und Gitarre herum sitzen lassen. Das war ganz bewusst ein Schnulzentext. Zu der Zeit habe ich solche Lieder gar nicht mehr gemacht. Alle, die intelligent waren, haben gemerkt: Da stecken zwei Bedeutungen drin.

INTERVIEW: KATHRIN HARTMANN UND FREDERIK JÖTTEN

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