Niemals
sentimental
Frankfurter
Rundschau MAGAZIN 11.03.08
10 Fragen an Helge Schneider: Warum er Erfolg bei Frauen hat und sich freut, älter
zu werden
Herr
Schneider, Ihr neuer Roman »Eine Liebe im Sechsachteltakt« ist
in besonders großer Schrift gedruckt – warum?
Ich brauche mittlerweile eine Lesebrille, weil ich nicht mehr so gut gucken
kann. Manchmal habe ich die nicht dabei, und würde dann trotzdem gerne
lesen können wie andere Leute auch. Das geht mit der größeren
Schrift. Finde ich sowieso gut, eine nicht so kleine Schrift.
Das Buch richtet sich also an eine ältere Leserschaft?
Da habe ich gar nicht so drüber nachgedacht. Der Protagonist Wolfgang Kollendorf
war früher Chefarzt und hat sich eine gewisse Unreife erworben. Der ist
richtig schön doof, der Typ.
Wie schon Ihr letzter Romanheld ist Kollendorf ein Casanova – ein Ruf, den Sie
auch haben.
Finden Sie, dass die genauso erfolgreich waren wie ich?
Höchstens kurzfristig natürlich. Wie betören Sie die Frauen?
Mit Klavierspielen. Wenn man Klavier spielt, hat man Glück bei den Frauen
- üben, üben, üben!
Ihr Kollendorf blickt sehr sentimental zurück auf sein Leben –
Sie auch?
Ich bin ja jetzt 52, da kann man über diese übertriebene Sentimentalität,
die ich beschreibe, ja nur lachen. Sentimentalität verklärt Erinnerungen.
Wenn man aber wirklich die Zeit zurückdrehen würde, dann wäre
das manchmal gar nicht witzig. Als ich beispielsweise mal an der belgischen
Grenze von der Polizei ausgezogen wurde, weil die Bekloppten mich nach Drogen
durchsucht haben. Wenn man das heute Revue passieren lässt, findet man
das lustig. In Wirklichkeit hatte ich damals Angst.
Woran merken Sie, dass Sie älter geworden sind?
Ich mache auf der Bühne oft irrationale, ruckartige Bewegungen – ich merke
schon, dass ich das früher besser konnte. Oder auch die Ausdauer beim Singen,
da nagt das Alter an mir. Dazu das Bombardement der verschiedenen Krankheiten,
die man kriegen kann. Alleine, dass man ständig darüber nachdenkt,
was man vielleicht schon alles in sich trägt.
Vor welchen Krankheiten haben Sie Angst?
Ich habe keine Angst. Ich glaube, dass man Krankheiten annehmen und behandeln
muss, anstatt sie mit aller Gewalt zu verdrängen. Sonst zwingt man die
Krankheit, aggressiv zu werden. Das ist jetzt nur eine Theorie, die völlig
hanebüchen ist, die aber in diesem Moment dazu beiträgt, mich gesund
zu fühlen.
Wie kann man als Künstler würdevoll altern?
Früher hat man gesagt, indem man wallendes weißes Haar hat, in einem
grauen Umhang auf dem Chaiselounge sitzt und Tee trinkt. Und in kerzengerader
Haltung das Alter abwartet. Aber in den letzten 30, 40 Jahren hat sich das geändert.
Die Alten müssen fit und sportlich sein, sonst denken sie, sie seien nichts
mehr wert. In unserer Gesellschaft ist es doch so: Es muss alles immer clean
sein, sobald jemand davon abweicht, ist er aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Mindestens die Hälfte wird abgeschoben in Heime. Ich finde, man sollte
im Alter zu seinen Mankos stehen. Ich freue mich, alt zu werden. Ich bin nicht
so ein Typ, der sagt: Oh Schade, dass ich schon 52 bin, ich wäre gerne
noch mal 40.
Sie sind im letzten Jahr 150 Mal aufgetreten, wie halten Sie sich fit dafür?
Der Geist ist ein starker Motor. Wenn man sich einfach die Energie nimmt, fühlt
man sich auf einmal wohl, obwohl man vorher dachte: Mensch, ich bin ja müde,
ich stehe jetzt gar nicht auf. Außerdem haben wir ja einen Hund und mit
dem gehe ich immer ein paar Stunden am Tag raus. Kinderwagen schieben ist auch
eine gute Übung. Kinder tragen sowieso – deshalb halten Kinder jung.
Normalerweise fängt man in Ihrem Alter nicht mehr an zu rauchen
- Sie haben neulich angekündigt, das zu tun, als Protest gegen das
Rauchverbot. Schmecken Ihnen die Zigaretten?
Ich hab' jetzt ein paar Mal Zigarre geraucht, aber die schmecken wirklich Scheiße.
Ich muss da mein Urteil revidieren, ich lasse mir gerne das Rauchen im Restaurant
verbieten. Ich habe ja selbst einen Säugling, mit dem kann ich jetzt mal
in eine Hotelbar gehen. Das ist ganz nett, das konnte man vorher nicht. Ich
hätte es schlimm gefunden, wenn die Raucher wirklich unter dem Verbot leiden
würden. Aber ich habe festgestellt, dass die das mit Humor aufnehmen. Die
stellen sich also vor so einen Laden in die Kälte und rauchen – und lernen
dann so ein paar andere Leute kennen. Was ich aber richtig Scheiße finde:
Vor vielen Kneipen sind jetzt Vorzelte aufgebaut, so wie vor Wohnwagen, und
darin stehen dann Heizpilze – in einem habe ich 16 Stück gezählt!
Das fand ich richtig doof. Emissionen hoch zehn, weil da ein paar Typen rauchen
wollen. So macht das Verbot keinen Sinn.
Interview: Frederik Jötten
Zur Person: Helge Schneider, 52, brach mit 16 die Schule ab, arbeitete
als Landschaftsgärtner und Straßenfeger. Mit 17 begann er als Hochbegabter
eine Klassische Klavierausbildung am Konservatorium Duisburg. Auch die warf
er bald hin, um sich dem Jazz und zunehmend dem Klamauk zu widmen, anfangs mit
mäßigem Erfolg. Der große Durchbruch kam 1993 mit dem Album »Es
gibt Reis« (Goldene Schallplatte) und der Single »Katzeklo« (ausgezeichnet
mit dem Musikpreis Echo). Es folgten Kinoerfolge (Texas) und Bestseller – gerade
ist sein zehnter Roman »Eine Liebe im Sechsachteltakt« (Kiwi) erschienen,
den er am Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse vorstellt. Im vergangenen Jahr
stand er mit seinem Programm »Akopalüze nau« 150 mal auf der
Bühne. Morgen wird Schneider auf der Musikmesse in Frankfurt als »Klavierspieler
des Jahres 2008« ausgezeichnet. Seit seiner Geburt lebt Helge Schneider
in Mülheim an der Ruhr. Er hat fünf Kinder mit vier Frauen. |