Mut zum Trash
Frankfurter Rundschau MAGAZIN 05.06.08

»Olé Olé« heißt Ihr Song zur Fußball-Europameisterschaft - wie ein seit Jahrzehnten bekannter Schlachtruf aus dem Stadion. Ist Ihnen kein originellerer Titel eingefallen?

Wissen Sie, in Zeitungen fällt mir manchmal auf, dass ihr Journalisten einen originellen Titel machen wollt und dann steht irgendeine Grütze über dem Artikel, die kein Mensch versteht. Das ist pseudointellektuell. Ich wollte einen Song für die Fußball-EM machen, der die Lebensfreude der Fans wiedergibt. Wenn man für die Bildzeitung arbeitet, muss man eine andere Überschrift machen, als wenn man für die Frankfurter Rundschau arbeitet.

Sie vermuten Ihre Fans vor allem unter den Lesern der Bildzeitung?

Die Frage muss heißen: Wie macht man einen Hit? Viele Musiker schämen sich, Texte für den Massengeschmack zu machen.

Ist Ihnen denn gar nichts peinlich?

Es gibt natürlich Sachen, die kann man nicht bringen - "I Love You" als Titel wäre viel zu abgedroschen. Aber mein Mitkomponist und ich fanden, dass »Olé Olé« das Lebensgefühl der Fußball-EM am besten trifft. Und dann muss man über dem stehen, was Kritiker vielleicht darüber denken. Man darf nicht einen Möchtegern-Titel machen, nur damit die Kumpels sagen: "Boah, da hast du dir jetzt aber was Supergeiles einfallen lassen" - was am Ende des Tages dann sonst niemand mitbekommt. Einen Hit zu machen, heißt, einen schmalen Grat zu treffen. Ich denke, ich habe ihn getroffen.

Die Schweizer Zeitschrift Weltwoche bezeichnete Ihre Musik als Mischung aus »Billigtechno, Billigrap, Billigpop und Billigreggae« - trifft Sie so eine Kritik?

Nein, die Journalisten erleben ja nicht, was bei unseren Auftritten abgeht. Wir kommunizieren über die Musik direkt mit unserem Publikum, dazu brauchen wir keine Zeitungen. Printmedien beeinflussen zwar die öffentliche Meinung über uns. Aber meine Musik hatte sowieso noch nie eine Lobby - sie war schon immer Trash. "Eurodance" war super erfolgreich - aber außer uns, die die Musik gemacht haben, hat niemand zugegeben, dass er die Songs gut fand.

Stört es Sie, dass Sie eher als Handwerker der Unterhaltung gelten denn als Künstler?

Nein, ich sehe mich schon als Handwerker der Unterhaltung. Ich bin kein guter Sänger, kein guter Tänzer, kein guter Komponist. Ich bin in allem Mittelmaß, ich hätte es in keinem einzigen dieser Fächer zu Spitzenleistungen gebracht.

Dafür, dass Sie 13 Millionen Platten verkauft haben, sind Sie sehr bescheiden - typisch Schweizer?

Ja, wir Schweizer stapeln gerne tief. Wir mögen es tierisch, wenn wir unterschätzt werden. Ich liebe es, wenn alle anderen das Gefühl haben, sie sind besser - aber wir die Hallen füllen.

Gibt es etwas, das Sie nervt an Ihrem Heimatland?

Die Kleinkariertheit, die mir andererseits aber auch gefällt. Ich mag es eigentlich sehr, dass man sich grüßt auf der Straße. Man fühlt sich beschützt in dieser heilen Welt. Aber andererseits guckt der Nachbar ganz genau, was man tut. Ich habe den Wohnort gewechselt vor einem halben Jahr und dann stellte sich kurz vor dem Umzug ein Mann vor mich und sagt: "Ich lasse Sie hier nicht durch, bevor Sie mir nicht sagen, warum Sie unseren Ort verlassen." Es ging ihn natürlich nichts an, aber er hatte das Gefühl, er hätte einen Anspruch auf eine Rechtfertigung. Das sagt eigentlich schon alles über die Mentalität.

Wenn schon Sie als Schweizer Probleme mit Ihren Landsleuten haben, wie können sich die EM-Gäste wappnen?

Als Deutscher sollte man dem Schweizer klar machen, dass er Deutsch mit einem sprechen soll. Der Schweizer glaubt nämlich, dass ihr ihn versteht - weil wir euch verstehen. Das ist ein Irrglaube, den kriegst du nicht aus den Leuten raus. Ein Schweizer wird auf Deutsch etwas gefragt - und der antwortet knallhart auf Schweizerdeutsch. Der Deutsche geht nickend weiter, weil er nichts verstanden hat. Und der Schweizer ist extrem enttäuscht. Ein anderes Missverständnis ist, dass Schweizer die Deutschen als übertrieben forsch empfinden.

Warum forsch?

Weil der Deutsche sagt, was er meint. In der Gaststätte zum Beispiel: »Ich möchte ein Bier bitte.«Der Schweizer sagt: "Wäre es vielleicht möglich, wenn Sie das nächste Mal zur Theke kommen, aber nur wenn es keine Umstände macht, mir ein Bier mitzubringen "

Ist das der Grund, warum die Deutschen in der Schweiz den Ruf haben, unhöflich zu sein?

In Wahrheit seid ihr gar nicht so schlecht angesehen. Wir bewundern euch für eure Mentalität, besonders im Fußball. »Ein Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnt Deutschland«, den Spruch hört man häufig bei uns. Wenn die Schweiz 0:2 hinten liegt, dann war's das. Wenn Deutschland 0:2 hinten liegt, dann schaue ich mir das noch bis zum Schluss an.

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